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CO2-Budget und die ökosoziale Steuerreform: Wie viel Zeit bleibt Österreich noch im Klimakampf?

Adriana Helga

Dass gerade Österreich ein massives klimapolitisches Problem hat, zeigen aktuelle Berechnungen des Wegener Centers für Klima und Globalen Wandel in Graz. Den Prognosen zufolge übertreffen wir 2021 sogar die Emissionen an Treibhausgasen vom Jahr 2019. Inwiefern ein CO2-Budget und die ökosoziale Steuerreform Österreich helfen kann, die schlimmsten Folgen abzuwehren, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wo stehen wir aktuell in Österreich mit den CO2-Emissionen?

Im Corona-Jahr 2020 wurde vermehrt ein „Aufatmen“ berichtet – der Alltag stand vielerorts lange still, die Folge: sinkende Treibhausgas-Emissionen. In Österreich sanken die Emissionen an Treibhausgasen (CO2-Äquivalent) 2020 verglichen mit 2019 um rund acht Prozent auf 73,7 Millionen Tonnen. Dieser Effekt war aber nur kurzzeitig, wie das Wegener Center belegt. Laut aktuellen Berechnungen gehen die Expertinnen und Experten für 2021 von 80,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent aus. Das ist etwa eine halbe Million Tonnen über dem Wert von 2019. Wie kann das sein? Als Gründe für den erneuten Anstieg nennt das Wegener Center u.a.:

  • den verstärkten Erdölverbrauch für den wieder angelaufenen Güter- und Personenverkehr,
  • die Entwicklung in der Grundstoffindustrie, die nicht zuletzt den Kohlebedarf der Stahlbranche in die Höhe trieben,
  • sowie die wiedererstarkte Nutzung von Erdgas für die Endenergiebereitstellung.

Bis zur Klimaneutralität fehlt Österreich eine Einsparung von 90 bis 95 Prozent

Die EU will bis 2050 klimaneutral sein, Österreich sogar bis 2040. Der Zeitplan ist eng und es ist höchste Zeit zum Handeln. Das wird auch in dem aktuellen Bericht des Weltklimarats belegt. Die wichtigsten Kernbotschaften aus dem Bericht können Sie hier nachlesen. Was bedeutet das nun also konkret für Österreich? Laut dem Wegener Center ist die Klimaneutralität bis 2040 nur erreichbar, wenn es gelingt, die in Österreich anfallenden Treibhausgas-Emissionen um 90 bis 95 Prozent zu verringern.

Wie das CO2-Budget ins Spiel kommt

Das CO2-Budget, auch Kohlenstoff- oder Treibhausgasbudget genannt, ist eine andere Art und Weise die Treibhausgasemissionen zu betrachten: Statt davon sprechen, um wie viel Tonnen oder Prozent der Ausstoß reduziert werden soll, geht es hier um ein Kontingent, das uns noch bleibt: Das CO2-Budget gibt an, was die maximale Menge an Kohlendioxid ist, die uns noch bleibt, um eine bestimmte CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht zu überschreiten.

Um die Klimaziele Österreichs zu erreichen, wird vielerorts bereits gefordert, das entsprechende CO2-Budget gesetzlich zu verankern. Ausgehend von diesem Wert ist ein linearer Reduktionspfad festzulegen und einzuhalten.

Einsparung vs. Speicherung von Kohlendioxid

Nicht sinnvoll sind nach Ansicht der österreichischen Klimaforscher-Plattform „Scientists für Future“ Überlegungen, den Schwerpunkt der Klimapolitik auf die Anpassung an den Klimawandel statt auf die Emissionsverringerung zu legen. Zu befürchten sei, dass die jährliche Durchschnittstemperatur in Österreich bei ungebremstem Emissionswachstum bis 2100 um bis zu sieben Grad Celsius ansteigen könnte. Eine Anpassung an eine derartige Entwicklung sei unmöglich.

Um das 2040er-Ziel zu erreichen, gilt es also nicht nur die Emissionen zu verringern, sondern auch die Kohlenstoffspeicherung in der Land- und Forstwirtschaft massiv zu erweitern. Der Wald bindet Kohlendioxid, das ist unbestritten. Wichtig ist aber auch der Humus-Aufbau im Erdboden. Bis 2050 sollten mindestens 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf diese Weise der Atmosphäre entzogen werden.

Die ökosoziale Steuerreform ist als Lösungsansatz stark umstritten

Umstritten ist, inwieweit die Anfang Oktober von der Bundesregierung angekündigte „ökosoziale Steuerreform“ zur Lösung des österreichischen Klimaproblems beitragen kann.

Mit Juli 2022 soll ein CO2-Preis eingeführt werden, der vorerst 30 Euro pro Tonne beträgt und über 35 Euro pro Tonne im Jahr 2023 sowie 45 Euro im Jahr 2024 auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 ansteigt. Mit 2026 soll ein nationales System für den Handel mit Emissionszertifikaten eingeführt werden. Ein ähnliches Modell gilt seit Beginn des heurigen Jahres in Deutschland.

Zudem gibt es noch andere Maßnahmen, die den Zugang zur Klimaneutralität finanziell begünstigen sollen. Dazu zählen:

  • Klimabonus: Ebenfalls geplant ist ein „regionaler Klimabonus“ für alle in Österreich lebenden Personen. Wer seinen Wohnsitz in einem Ballungsgebiet hat, erhält einen „Bonus“ von 100 Euro pro Jahr. Für Menschen in ländlichen Regionen mit schlechterer öffentlicher Verkehrsinfrastruktur beläuft sich der Bonus auf bis zu 200 Euro.
  • Klimafitte Heizsysteme: Mit insgesamt 500 Millionen Euro soll der Umstieg auf klimaverträglichere Heizsysteme gefördert werden. Für Unternehmungen ist unter anderem ein Investitionsfreibetrag inklusive einer „Ökologisierungskomponente“ geplant, der sich auf 350 Millionen Euro belaufen soll.
  • Eigenstromsteuer: Noch zahlt man in Österreich auf selbst produzierten Strom steuern. Das will die Regierung abschaffen, wodurch die Wirtschaft um insgesamt 50 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden soll.
  • Selbstversorger werden begünstigt: Ebenso geplant sind Förderungen von 25 Millionen Euro pro Jahr für „energieautarke“ Bauernhöfe.

Der Gedanke einer Steuerreform ist zu begrüßen, die Umsetzung mangelhaft

Die Meinungen der KlimawissenschaftlerInnen in den Medien zur Ökostromsteuer sind konträr. Begrüßt wird zwar grundsätzlich die Einführung eines CO2-Preises. Manchen Stimmen sagen der Preis sei zu und verwiesen darauf, dass CO2-Zertifikate im Großhandel zurzeit rund 60 Euro kosten. Dazu kommt, dass noch immer klimaschädliche Maßnahmen subventioniert werden, wie z.B. das „Dieselprivileg“. Über all diesen Kritikpunkten steht aber das größte Problem: Welche CO2-Verminderung die Regierung mit der Steuerreform wirklich anstrebt, wird nicht transparent definiert und kommuniziert.

Wie viel Zeit bleibt Österreich also noch? Nicht viel. Gehandelt werden muss jetzt – und das mit klaren Zielen, konsequenten Maßnahmen und transparenter Kommunikation.

Quellen:

(Bildnachweis: Unsplash / Thomas Millot)